Blut meines eignen Kinds

Singst du? singst? singst unsern Schwanengesang?  … 

Nimmt’s vom Bett wieder auf, und liebkost’s. 

Ein böser Vater! der dir und mir nichts sein will, gar nichts! und mir’s doch so oft schwur, uns alles zu sein! – ha! … 

Nimmt eine Stecknadel, und drückt sie dem Kind in Schlaf, das Kind schreit ärger; es gleichsam zu überschrein, singt sie erst sehr laut, hernach immer schwächer.

Eia Pupeia!

Schlaf Kindlein! schlaf wohl!

Schlaf ewig wohl! … 

Säng mich doch auch jemand in Schlaf so! – Ha! ein Blutstropfen! den muß ich wegküssen, – noch einer! – auch den! 

Küßt das Kind an dem verwundeten Schlaf.  

Was ist das? – süß! sehr süß! aber hintennach bitter – ha, jetzt merk ich’s – Blut meines eignen Kinds! – und das trink ich? – 

Wirft ’s Kind aufs Bett

Da schlaf … schlaf ewig! … 

(6.Akt)

aus: „Die Kindermörderin“ Heinrich Leopold Wagner, 1776

Nach dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21) ist Heinrich Leopold Wagners Trauerspiel „Die Kindermörderin“ aus dem Jahr 1776 der älteste Beleg für das Wort Kindermörderin.